Seit es Menschen gibt, waren sie auch pilgernd unterwegs zu besonderen heiligen Orten und zu besonderen heiligen Zeiten. Schon immer traf man sich an Heiligtümern, um gemeinsam zu beten, zu singen, zu feiern, die Gemeinschaft zu genießen oder auch ein Opfer darzubringen und es zu teilen.
Die Wurzeln der christlichen Pilgerschaft liegen im antiken Judentum. Dort gibt es drei Feste im Jahr, zu denen man nach Jerusalem aufbrechen konnte: Das Befreiungsfest (Pessach), das Wochenfest (Schavuot) und das Laubhüttenfest (Sukkot). Die Juden in Judäa, Kleinasien und Nordafrika haben teilweise sehr weite Wege auf sich genommen, um zum Fest in Jerusalem am Tempel sein zu können. Selbst der jüdische Philosoph Philo von Alexandria (20 v. Chr. – ca. 45/50 n. Chr.) brach zu einem gut siebenhundert Kilometer langen Weg nach Jerusalem auf, um dort an einem Pilgerfest teilzunehmen. Auf dem Pilgerweg hat man Wallfahrtspsalmen gebetet, zum Beispiel den Psalm 121 oder die Psalmen 136–150, die auch das Gebet der heutigen Pilger inspirieren. Und schon im Alten Testament kennt man den Gedanken der „Völkerwallfahrt zum Zion“ (Zion ist der Berg, auf dem sie Stadt Jerusalem gebaut ist): Alle Menschen sind vereint, um am Jerusalemer Tempel Gott ehren (Jesaja 2,2–5). Und noch heute spielt die Stadt Jerusalem in jüdischen Gebeten eine große Rolle und manche Juden pilgern zur Westmauer des früheren Jerusalemer Tempelareals, um dort zu beten.
Der christliche Glaube hat seine stärksten – die biblischen – Erfahrungen auf dem Weg gemacht: Jesus war mit seinen Jüngern in Galiläa wandernd unterwegs. Und bereits als Zwölfjähriger, so erzählt der Evangelist Lukas in Lukas 2, pilgerten er und seine Familie nach Jerusalem zum Pessachfest, dem jüdischen Fest Befreiung aus Ägypten. An einem Pessachfest hat Jesus seinen Tod erlitten. Und der vielerorts heute noch bekannte „Osterspaziergang“, erzählt vom Weg der Jünger von Jerusalem nach Emmaus und wieder zurück und von der Verwandlung, die die Jünger dabei erfahren haben (Lukas 24). Jesus selbst hat man als "den Weg" bezeichnet (Johannes 14,6) und das frühe Christentum hieß einfach nur der „Neue Weg“ (Apostelgeschichte 9,2;19,23). Diese vielen biblischen Weg-Texte der Bibel gilt es neu zu entdecken!
Bereits im vierten Jahrhundert brachen Christen ins Heilige Land auf, um die Stätten zu besuchen, an denen Jesus gelebt hat, zum Beispiel die Pilgerin Egeria (um 400) oder der Pilger von Bordeaux (um 333 n.Chr.). Die Mosaik-Landkarte (links) auf dem Boden der Georgs-Kirche in der jordanischen Stadt Madaba ist die erste bekannte Karte von Palästinapilgern (542 n. Chr.).
Die berühmtesten christlichen Pilgerorte sind neben Jerusalem: Die Stadt Rom, weil man dort die Gräber von Paulus und Petrus vermutet. Heute geht man nach Rom auf der Via Romea oder der Via Francigena. Und auf dem Camino nach Santiago de Compostela, weil man das dortige Grab dem Apostel Jakobus dem Älteren zuschreibt.
Auch andere Religionen kennen die Pilgerschaft: Ein Moslem soll einmal in seinem Leben den Hadsch auf sich nehmen und eine Pilgerreise zur Kaaba nach Mekka (Saudi Arabien) und nach Medina (Grab des Propheten Mohammed) unternehmen.
Im Buddhismus und im Hinduismus kennt man die Pilgerschaft zum schneebedeckten Berg Kailash (6741 m) bei Lhasa/Tibet, der als Sitz des Gottes Siva gilt. Und im buddhistischen Japan gibt es den Shikoku-Pilgerweg mit 88 Tempeln (1400km).
Der Boom des Pilgerns ist ein neues Phänomen auf alten Spuren. Menschen brechen auf, um ihrem Leben Tiefe und Sinn zu geben. So spricht man gerne von einer Wiederbelebung der Jakobswege, auch wenn man heute unter modernen Vorzeichen pilgert. Heute wie früher bedeutet Pilgern aus der Alltagswelt auszubrechen, und die Einfachheit und die direkte menschliche Begegnung zu suchen und um Gott zu begegnen.
Hier der Text der Pilgermeditation oben am Rand des Jakobsweges:
Staub, Schlamm, Sonne und Regen.
Das ist der Weg nach Santiago
Für Tausende von Pilgern
Und mehr als tausend Jahre.
Wer ruft Dich, Pilger?
Welch‘ geheime Macht lockt Dich an?
Weder ist es der Sternenhimmel,
Noch sind es die großen Kathedralen.
Weder die Tapferkeit Navarras,
Noch der Rioja-Wein,
Nicht die Meeresfrüchte Galiziens.
Und auch nicht die Felder Kastiliens.
Pilger, wer ruft Dich?
Welch‘ geheime Macht lockt Dich an?
Weder sind es die Leute unterwegs,
Noch sind es die ländlichen Traditionen,
Weder Kultur und Geschichte,
Noch der Hahn von St. Domingos,
Nicht der Palast von Gaudi
Und auch nicht das Schloß von Ponferradas.
All dieses sehe ich im Vorbeigehen
Und dies zu sehen ist Genuß.
Doch die Stimme, die mich ruft
Fühle ich viel tiefer in mir.
Die Kraft, die mich vorantreibt,
Die Macht, die mich anlockt,
Auch ich kann Sie mir nicht erklären.
Dies kann allein nur ER, dort oben!